Datum: 14. Juni 2014
Wettbewerb: Landesliga Süd, 29. Spieltag
Ort: Stadion der Hüttenwerker
Zuschauer: 465
EFC: Follert – Wunder (74. Kubein), Teuber (63. Meißner), Kaiser, Raddatz, Wolbaum, Kerl, Szywala, Mauch (70. Thiele), Nickel, Grünberg – Trainer Harry Rath
FSV: Tuschel – Friedrich, Bartz, Lichtner (22. Schönfeld), Frühauf, Grätz (46. Freist), Wulff, Nolten, Rudolph (22. Brunzel), Klippenstein, Altengof – Trainer Dirk Liedtke / Dietmar Brauer
Tore: 1:0 Grünberg (8.), 2:0 Grünberg (19.), 3:0 Raddatz (47.), 4:0 Raddatz (70.)
Bericht: Auf nach Eisenhüttenstadt – in die Stadt, die erst seit 60 Jahren existiert und es inzwischen zu solch großem Ruhm gebracht hat, dass sogar Tom Hanks nicht um einen Besuch dieser Perle an der Oder vorbei kam. Doch der Reihe nach, lohnt es sich doch, zur Stadt selbst und deren Vereinen etwas auszuholen und mal wieder ein paar interessante Zeilen mit Blick über den Fußball hinaus aufs Papier zu bringen.
Die historische Siedlung des heutigen Eisenhüttenstadt ist Fürstenberg. Anfang der 50er Jahre entschied sich die SED-Führung zum Bau eines Eisenhüttenkombinats in dessen Nähe. Im direkten Umfeld brauchte es natürlich Wohnmöglichkeiten für die tausenden Arbeiter und somit entstand die erste und größte sozialistische Planstadt der DDR. Den Charme einer solchen Stadt kann man schwer beschreiben, doch er hat definitiv etwas. Fährt man die Lindenallee entlang, fühlt man sich versetzt in längst vergangene Zeiten – oder in weißrussische Kleinstädte. Jedenfalls kommen architekturaffine Zeitgenossen hier voll auf ihre Kosten und so zog es auch die oben erwähnte Hollywood-Größe in die jüngste Stadt Deutschlands.
Ihr erster Name war übrigens Stalinstadt, später mit der Entstalinisierung sollte sie eigentlich in Karl-Marx-Stadt umbenannt werden, doch war es schließlich Chemnitz, das jenen Namen erhielt. Stalinstadt wurde fortan in Eisenhüttenstadt umbenannt, kurz „Hütte“. Die Zeit vor dem Stahlstadt-Derby am Nachmittag wurde nicht nur mit dem Besuch der zweiten Mannschaft des FSV Dynamo verbracht, sondern auch und vor allem mit einer kleinen Stadtführung durch einen befreundeten Ortskundigen, wodurch mir ein paar Schmankerl kredenzt wurden, die Otto Normal und seiner Hopperkollegen mangels Kenntnis nicht vor die Flinte kamen. Darunter war beispielsweise eine ehemalige Baustelle, bestehend aus einem zugewachsenen Fußballfeld, aufgeschütteten Wällen und planierten Einfahrten. Letztere sollten die Zufahrten zu dem neuen Stadion der BSG Stahl Eisenhüttenstadt werden, das Ende der 80er Jahre gebaut werden sollte. Da Stahl nach der Wende der Sprung in den gesamtdeutschen Profi-Fußball verwehrt blieb, starb auch das Projekt des Stadionneubaus. Ruinen findet man in „Schrottgorod“ mehr als genug, leidet die Stadt doch unter extremem Einwohnerschwund, dem durch Konzentration der Bevölkerung in verbliebene, sanierte Wohnungen entgegengewirkt werden soll.
Stahl spielt jedenfalls nach wie vor im Stadion der Hüttenwerker, einer inzwischen schönen Bruchbude im DDR-Style. Es erklärt sich von selbst, dass an dem Stadion alles aus Metall ist, was verbaut werden kann. Neben der blechernen Haupttribüne wurden ohne Ende massive Zäune verpflanzt bis hin zu Blechdächern, die kein Mensch braucht. Drei Jahre DDR-Oberliga gab es hier zu bestaunen und ansonsten war Stahl zu Ostzeiten klassischer Zweitligist, wo die BSG 30 Jahre verbrachte und den 2. Platz der ewigen Tabelle einnimmt (hinter Wismut Gera). Nach der Wende pendelte der seit 1990 EFC Stahl heißende Klub zwischen Regionalliga und Landesliga und steht aktuell vor dem direkten Wiederaufstieg in die Brandenburg-Liga. Dafür musste im Stadt-Derby Dynamo geschlagen werden, jener Klub, der 1999 als Fußballabteilung aus dem PSV Eisenhüttenstadt ausgetreten und eigenständig geworden ist. In einem recht uninteressanten Spiel siegte die Heim-Elf erwartungsgemäß 4:0 und behielt die Tabellenführung vor Brieske-Senftenberg.
Der Stimmungspunkt dagegen geht an die Gäste. Zahlenmäßig zwar nicht mehr als der kleine Heimhaufen, doch immerhin um einigermaßen durchgängigen Support bemüht und nach Spielende mit einer anständigen Pyro- und Raucheinlage, wie es sich für ein Stadtderby auch gehört. Der Heimanhang hatte insgesamt nichts entgegenzusetzen, bestand er doch eher aus Anhängern gesetzteren Alters, die den guten alten Zeiten hinterher weinen. Das übrige Publikum war gespickt von Groundhoppern aus allen Ecken der Bundesrepublik, so durfte man neben Bielefeldern, Gladbachern und Berlinern wie immer auch diverse Sachsen – was aufgrund der Sprache keine Probleme darstellte – identifizieren.
Das herrliche Wetter tat sein übriges und so endete ein langer Tag an der polnischen Grenze sehr zufriedenstellend.